Müssen Kinder gehorchen?

Gehorsam

Gehorsam ist ein soziales Verhalten, bei dem eine Person Anweisungen, Regeln oder Befehlen folgt, die von einer Autoritätsperson oder einer festgelegten Norm stammen. Es ist ein wesentlicher Bestandteil des menschlichen Zusammenlebens und spielt in verschiedenen Lebensbereichen eine wichtige Rolle. Beim Thema Gehorsam im Elterncoaching geht es meistens darum, dass Kinder den Eltern gehorchen sollen oder müssen, oder dies eben zu derer Missgunst nicht tun. 

Gründe:

Warum möchten Eltern, dass ihre Kinder gehorchen? Es gibt verschiedene Gründe:

Einerseits vereinfachen Regeln und Grenzen das harmonische Zusammenleben von Eltern und Kinder. Wenn die Kinder gut folgen, sind Sicherheit und Wohlbefinden der Schützlinge sichergestellt sowie die Bedürfnisse der Eltern abgedeckt. Beispielsweise muss ein vierjähriges Kind beim Strasse Überqueren der Mutter die Hand halten. So ist es sicher vor Unfällen und die Mutter kommt gut, schnell und angstfrei mit ihm über die Strasse. 


Des Weiteren lernen die Kleinen Regeln und Normen einzuhalten, um in der Gesellschaft erfolgreich interagieren zu können. Gehorsam lehrt die Kinder, Verantwortung für ihr Verhalten zu übernehmen und auch die Konsequenzen für ihre Handlungen zu verstehen. 


Gehorsam kann dem Kind auch Sicherheit geben. Wenn ein Kind die geltenden Regeln oder klare Anweisungen eingehalten kann, fühlt es sich sicher. Grundsätzlich wollen Kinder gut und lieb sein. Sie wollen genügen und die Eltern stolz machen. Dabei kommen ihnen jedoch manchmal die eigenen Bedürfnisse in die Quere. 


Gehorsam hat andererseits auch mit Respekt und Hierarchie zu tun. In einigen Familien sagt der Vater oder die Mutter zu Hause, wo es langgeht- Sprüche wie: «So lange du unter meinem Dach wohnst, gelten meine Regeln!» zeigen gut auf, dass unbedingter Gehorsam auch mit Macht, Hierarchie und Dominanz zu tun hat. 


In der Schule ist Gehorsam eng mit der Schaffung eines effektiven Lernraums verbunden. Schülerinnen und Schüler müssen den Anweisungen ihrer Lehrerinnen und Lehrer folgen, um von den Bildungsmöglichkeiten optimal zu profitieren. Gleichzeitig ist es wichtig, Raum für Fragen und kritisches Denken zu lassen, um eine ganzheitliche Bildung zu fördern. Ohne das Befolgen gewisser, wichtiger Regeln, gäbe es im Klassenzimmer kaum eine Chance auf erfolgreichen, effektiven Unterricht. 


Gehorsam = Erziehung?

Wie oben beschrieben gibt es viele gute Gründe, warum Kinder ihren Eltern oder Lehrer*innen gehorchen sollten. Eine gute Erziehung führt dazu, dass Kinder gut gehorchen. Stimmt diese Aussage? Sind Kinder, die immer brav gehorchen demzufolge gut erzogene Kinder?

 

Dazu möchte ich Sie ermutigen, einmal darüber nachzudenken, was wir Eltern eigentlich mit einer guten Erziehung unserer Schützlinge erreichen wollen. Meiner Meinung nach heisst Erziehung, unsere Kinder in ihrer Entwicklung zu begleiten, ihre Persönlichkeit zu stärken, sie zu lehren selbständig zu denken und zu handeln sowie ihren Platz in der Gesellschaft zu finden und dort eigenverantwortlich zu handeln. Wir wollen Kinder fit machen fürs Leben. Selbstverständlich ist diese Auflistung lange nicht abschliessend, es gibt noch etliche Dinge, die zur Erziehung dazugehören. 

Erwünschter und unerwünschter Gehorsam

Werden nun Kinder fit fürs Leben, wenn sie ihren Eltern oder anderen Autoritätspersonen immer und unbedingt gehorchen? Eigentlich wollen wir gar keine «kleinen Soldaten» heranzüchten, die alles tun, was man ihnen sagt, oder? Der Nachwuchs sollte ja lernen, selbst zu denken! Unbedingter Gehorsam kann unter Umständen sogar gefährlich werden, vor allem wenn Menschen ihre Machtposition ausnutzen. Wir denken hier an böse Menschen, die Kinder in ihr Auto locken wollen…

 

Unsere Aufgabe als Eltern ist es, die Kinder zu sensibilisieren. Wo macht es Sinn, dass die Kinder Regeln und Anweisungen befolgen? Wo müssen sie lernen, selbst zu denken und richtig zu handeln? Diese Erziehungsaufgabe ist sehr komplex und fordert viel Zeit, Geduld, viel Kommunikation und vor allem eine gute Beziehung zum Kind. 

Gut und böse

Die richtige Mischung zu finden, welche Regeln unumstösslich und welche verhandelbar sind, ist nicht immer einfach. Besprechen Sie mit Ihrem*r Partner*in, welche Regeln in Ihrer Familie sakrosankt sind. Schreiben Sie diese für sich auf und seien sie bei diesen ganz konsequent. Weniger ist mehr – entscheiden Sie sich nur für die wichtigsten Regeln! Bei weniger wichtigen Dingen diskutieren Sie mit den Kindern und lassen Sie sie mitentscheiden. Für kleinere Kinder gibt es übrigens gute Bücher, welche das eigenständige Denken und Urteilen fördern. Das Buch «Gut und böse -was ist das?»  von Oscar Brenifier ist beispielsweise ein gutes Hilfsmittel, um mithilfe diverser philosophischer Fragen mit dem Kind in Kommunikation zu kommen. Selbständiges Denken sowie verantwortungsbewusstes Handeln können auf diese Weise gefördert werden. 


Pubertät

In der Pubertät entwickelt jeder Mensch seine Autonomie. Die Autonomieentwicklung ist der Prozess des selbständigen Werdens. Jugendliche wollen erforschen, entdecken, eigene Erfahrungen machen. Die Risikobereitschaft ist in der Pubertät höher als je zuvor und je danach. Dies birgt etliche Gefahren. Machtdemonstrationen der Eltern helfen nur noch ganz selten, da der Sprössling oft schon grösser/breiter/besser ist als Mama oder Papa. An Gehorsam ist nun vielleicht gar nicht mehr zu denken.  Umso wichtiger ist es gerade jetzt, mit den Jugendlichen im Dialog zu bleiben, um sie zu erreichen! Dies bedingt allerdings einer guten Beziehung auf Augenhöhe. Nur: wie geht das?

In Beziehung bleiben:

  1. Autonomie und Privatsphäre respektieren: Geben Sie ihrem Jugendlichen Raum, möglichst seine eigenen Entscheidungen zu treffen und Erfahrungen zu sammeln. Einen gewissen Vertrauensvorschuss ist teilweise unumgänglich.
  2. Zuhören und verstehen: Zeigen Sie echtes Interesse an der Welt des Jugendlichen. Auch wenn Sie das neue Game nicht sonderlich interessiert, nehmen Sie sich Zeit zu verstehen, was ihren Sprössling daran so fasziniert. Seien Sie offen und werten Sie nicht. Hören Sie empathisch zu, wenn ihr Kind etwas erzählt und fragen Sie nach, wenn Sie nicht genau verstehen. Nehmen Sie den/die Jugendlichen ernst, auch wenn das Gesagte nicht dem Gesagten eines Erwachsenen entspricht. In dieser Entwicklungsphase mischen sich kindliche und erwachsene Anteile oft, das ist normal und darf so sein. Lachen Sie niemals über die Meinung oder die Ansicht Ihres Kindes und seien Sie geduldig und verständnisvoll.
  3. Vertrauen aufbauen: Seien Sie immer ehrlich und authentisch! Für Jugendliche ist es entscheidend, dass sie den Eltern vertrauen können. Auch wenn es sich oft nicht so anfühlt, dass dies wichtig wäre, sind Eltern Vorbilder für ihren Nachwuchs. Auch, oder eben gerade in der Pubertät! Schon Pestalozzi wusste: «Erziehung ist Vorbild und Liebe, sonst nichts».
  4. Kommunikation: Bleiben Sie unbedingt im Dialog! Eine gute Gelegenheit sind beispielsweise Fahrdienste mit dem Auto zum Training oder in den Ausgang. Moralisieren kommt bei jungen Leuten nicht so gut an. Seien Sie vorsichtig mit Pauschalisierungen und Verboten. «Du darfst nicht rauchen» beispielsweise nützt selten, wenn der/die Jugendliche dies ausprobieren möchte. Besser ist es ehrlich, genau und präzise Auskunft darüber zu geben, was passiert, wenn man raucht, wie und was dabei im Körper passiert, und was geschädigt wird.  Bei wirklich gefährlichen oder tödlichen Dingen wie Drogen oder ungeschütztem Sex ist es enorm wichtig, dass die jungen Leute das Risiko richtig einschätzen können. Eine klares, unmissverständliches Verbot wird von den Jugendlichen akzeptiert, wenn sie die Gründe dafür oder dagegen kennen. Seien Sie unbedingt auch bei solchen Themen ganz ehrlich. Eltern, die gefühlt alles verbieten oder dramatisieren, werden nicht ernst genommen, was fatale Folgen haben kann!

 

Falls Sie mit Ihrem Kind oder Jugendlichen an Ihre Grenzen kommen, oder in einer herausfordernden Familiensituationen stecken, hilft eine Begleitung und Unterstützung im Kinder- und Jugendcoaching oder ein Eltern- oder Familiencoaching. Zusammen finden wir Lösungen, um Erziehungsfragen zu klären und Ihren Familienalltag wieder zu entspannen.

 

 

Wir sind gerne für Sie da!